Keine Angst vor Kindern mit Diabetes in Schule und Kindergarten

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Keine Angst vor Kindern mit Diabetes in Schule und Kindergarten 2018-04-08T17:29:28+00:00

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Dr. Lilly Damm vom Zentrum für Public Health der MedUniWien Copyright: privat

ExpertInnen weisen auf rechtliche und gesundheitspolitische Lücken in der Versorgung unserer Kleinsten hin

Die Österreichische Diabetes Gesellschaft (ÖDG) macht auf die speziellen Bedürfnisse von Kindern mit Diabetes aufmerksam und zeigt, was sich für diese in der Schule und dem Kindergarten ändern sollte: diabetesspezifische Aufklärung und mehr Rechtssicherheit für PädagogInnen sowie zusätzliches medizinisches Personal in Schulen und Kindergärten.

(Wien, 5. September 2016) – Jedes Jahr erkranken in Österreich rund 300 Kinder unter 15 Jahren an Diabetes mellitus Typ 1. Immer mehr Kinder sind bei der Diagnose sogar unter fünf Jahre alt! Insgesamt sind geschätzte 4.000 österreichische Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren von dieser Autoimmunerkrankung betroffen. Die Zahl der Neuerkrankungen hat sich in den letzten knapp 20 Jahren verdoppelt.

Kann die Bauchspeicheldrüse kein Insulin mehr herstellen, müssen sich die Erkrankten, abhängig von Ihrer Bewegungsintensität und ihrer Nahrungsmittelaufnahme, Insulin verabreichen. Mit Hilfe einer umfassenden Schulung und einer maßgeschneiderten Therapie können die Betroffenen ein fast normales Leben führen.

Kinder mit Diabetes brauchen machmal etwas mehr Hilfe

Jedes Kind mit Diabetes, vor allem jüngere Kinder, benötigen nicht nur die Unterstützung ihrer Eltern, sondern auch manchmal die Hilfe ihrer PädagogInnen. Dies sind nicht unbedingt komplexe medizinische Hilfestellungen, die nur von Fachpersonal zu bewältigen sind, sondern viel öfter kleine Erinnerungen, Rücksicht auf notwendige Messungen, die Supervision bei einfachen Rechenvorgängen der Insulinpumpe oder Basiswissen in Erster Hilfe und vor allem Verständnis für spezifische krankheitsbedingte Notwendigkeiten.

LehrerInnen wissen zu wenig über Diabetes

Die Studie „Das diabetische Schulkind“ der Pädagogischen Hochschule Steiermark zeigt, dass nur 48% der LehrerInnen informiert sind, dass sie ein diabetisches Kind unterrichten. 41 % würden im Notfall falsch reagieren bzw. würden normale Erste Hilfe Kenntnisse nicht richtig anwenden. „Oft ist nicht einmal der Unterschied zwischen Typ 1 und Typ 2 Diabetes bekannt“, erklärt Priv.-Doz. Dr. Elke Fröhlich-Reiterer, vom Department für Allgemeine Pädiatrie der Medizinischen Universität Graz und Vorstandsmitglied der ÖDG. „Turnlehrer sind manchmal sehr engagiert und wollen Kinder mit Diabetes beim Sport unbedingt mitmachen lassen. Sie wissen aber zu wenig über die notwendige Balance zwischen Bewegung, Insulin und Kohlenhydraten“.

Schulen und Kindergärten sind nicht auf chronisch kranke Kinder vorbereitet

Im Alltag zeigen sich viele unterschiedliche Facetten des Problems: „Manche LehrerInnen lehnen es schlichtweg ab, mit der Insulinpumpe bei einem Volksschulkind etwas zu tun zu haben oder es auf Schikurs mitzunehmen. Wieder andere bestehen auf der elterlichen Begleitung bei Wandertagen, was berufsbedingt für viele Eltern nicht möglich ist“, betont Fröhlich-Reiterer. „Es scheint sehr willkürlich zu sein und von der Einstellung, der Angst und dem Wissensstand der jeweiligen Lehrperson abzuhängen, ob ein Kind mit Typ 1 Diabetes wirklich an allen Schulveranstaltungen teilnehmen darf. Obwohl es für jeden nachvollziehbar ist, was das Ausgeschlossensein aus der Klassengemeinschaft für ein Kind bedeutet, zudem ist es auch rechtlich bedenklich, ein Kind wegen seiner Erkrankung vom Unterricht auszuschließen.“

Die ÖDG fordert diabetesspezifische Weiterbildungen für LehrerInnen/PädagogInnen

Viele LehrerInnen haben einfach Angst – gute und richtige Informationen können hier Sicherheit und Ruhe schaffen, die letztlich alle in der Schule brauchen. Der falsche Umgang mit Kindern mit Diabetes kann aber auch zu potenziellen Gesundheitsgefährdungen führen. Fröhlich-Reiterer erklärt, dass die Haltung „Gesundheit und Krankheit haben nichts mit dem Unterricht zu tun“ ein verhängnisvoller Irrtum ist: „Für LehrerInnen ist der richtige Umgang mit Sport, das entsprechende Erkennen und Reagieren von Über-/Unterzuckerung, das Wissen um mögliche Probleme und Kenntnisse der Ersten Hilfe leider nicht selbstverständlich. LehrerInnen/PädagogInnen sollen im Umgang mit chronisch kranken Kindern und Jugendlichen sensibilisiert und bei der Ausübung ihrer Tätigkeit unterstützt werden“. Schon kleine pädagogische Entscheidungen wie z.B. die Pausengestaltung oder Stundenplanänderungen mit geändertem Bewegungsverhalten haben großen Einfluss auf das Management einer Diabeteserkrankung.

Zuständigkeits-Unstimmigkeiten unter den Ministerien

Viele Hilfeleistungen werden von Lehrkräften auch in einem rechtlichen Graubereich erbracht. „Die Zuständigkeit für chronisch kranke Kinder wird seit vielen Jahren zwischen den Bundesministerien für Bildung und dem für Gesundheit hin- und hergeschoben. So wird das Problem der Zuständigkeit und Verantwortung ungelöst auf die unteren Hierarchie-Ebenen abgewälzt und letztlich auf Einzelpersonen abgeschoben. Es fehlen klare Regelungen, gesetzliche Grundlagen und informiertes Personal, und eine gemeinsame sichere Lösung, wie sie der gemeinsamen Verantwortung der entspechenden Ministerien für chronisch kranke Kinder entspricht“, erläutert Dr. Lilly Damm vom Zentrum für Public Health der MedUniWien.

Mehr Gesundheitsfachkräfte in die Schulen

Weiters fehlen Gesundheitsberufe in den Schulen (z.B. Schulkrankenschwestern, Schulassistenzen), wie sie international empfohlen werden und wie sie in den meisten Ländern bereits erfolgreich im Einsatz sind. „Falls Unterstützungsleistungen durch Gesundheits- oder Assistenzberufe für die Ausbildung von Kindern mit Diabetes zusätzlich oder vorübergehend erforderlich sind, müssen sie den Kindergärten und Schulen zur Verfügung gestellt werden – und zwar ohne Extrakosten für die Eltern der Betroffenen!“ fordert Damm.

Ein Vorschlag für eine erste kurzfristige Maßnahme

Der Kurzfilm,“Beinah zu spät“ (www.typ1diabetes.at) der auf Typ 1 Diabetes bei Kindern und Jugendlichen aufmerksam macht, sollte per Erlass allen Schulen und allen Pädagogischen Hochschulen zur Kenntnis gebracht werden.

Unterstützenswerte Initiativen

In der Steiermark macht sich der Verein Diabär (www.diabaer.at) für Kinder mit Diabetes stark: Der Verein wurde von betroffenen Eltern gegründet und setzt sich gezielt für die Verbesserung der Betreuung der betroffenen Kinder und Jugendlichen ein. Auf Initiative von Diabär nahm das Land Steiermark in seinen Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention explizit das Thema „Gleichstellung von chronisch kranken Kindern und Jugendlichen in Schulen“ auf. „Dies ist ein weiterer Meilenstein in der Umsetzung dieses Anliegens für ganz Österreich“, freut sich Fröhlich-Reiterer.

Auch die österreichweite Bürgerinitiative „Gleiche Rechte für chronisch kranke Kinder“ (BI Nr.60 https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/BI/BI_00060/) macht seit Jahren auf die bestehenden Probleme aufmerksam. Derzeit liegt sie im Unterausschuss für Unterricht – man darf gespannt auf ihre Behandlung im weiteren parlamentarischen Prozess sein.

Österreichische Diabetes Gesellschaft (ÖDG)

Die Österreichische Diabetes Gesellschaft (ÖDG) ist die ärztlich-wissenschaftliche Fachgesellschaft der österreichischen Diabetes-Experten und Diabetes-Expertinnen. Ordentliche Mitglieder der Gesellschaft sind Ärzte und Ärztinnen und wissenschaftlich einschlägig orientierte Akademiker und Akademikerinnen. Assoziierte Mitglieder sind Diabetesberater und Diabetesberaterinnen und Diätologen und Diätologinnen. Die Österreichische Diabetes Gesellschaft sieht es als ihre Aufgabe, die Gesundheit und Lebensqualität von Menschen mit Diabetes mellitus zu verbessern. Sie setzt sich daher für die Anliegen der Betroffenen ein. Sie fordert und fördert die stetige Verbesserung der Versorgung von Menschen mit Diabetes mellitus. Sie unterstützt die Forschung und verbreitet wissenschaftliche Erkenntnisse aller den Diabetes berührenden Fachgebiete sowohl zur Verbesserung der medizinischen Betreuung als auch zur bestmöglichen Vorbeugung von Neuerkrankungen.
Informationen über die Aktivitäten der ÖDG finden Sie unter www.oedg.at

Rückfragehinweis:
Public Health PR
Mag. Michael Leitner, MAS
Tel.: 01/60 20 530/91
Mail: michael.leitner@publichealth.at
Web: www.publichealth.at

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